"Wenn das Leben anders wird" - Leseproben und mehr

Muh

 

Auf einer grünen Wiese

Steht eine bunte Kuh.

Das ist die Anneliese,

sie schaut mich an mit „Muh“.

 

Was soll das nur bedeuten?

Ich denk lang drüber nach.

Dann hör ich Glocken läuten,

es fällt mir ein „Ach, ja“.

 

Die Kuh, die Anneliese,

die ist ja gar nicht dumm!

Sie läutet auf der Wiese,

sagt „Mu“ und bleibt sonst stumm.“

 

Lübbecke, ca. 1989

 

Mu ist ein Mantra und heißt übersetzt: „Nichts“, "Nichts weiter"

 

 

Diese Kuh grast am Nordhang des wiehengebirges in Lübbecke-Obermehnen.

Aufgenommen 2021

Der Fluß
Wenn mir Menschen eine Rückmeldung über meine Gedichte geben, gehört der Fluss fast immer zu ihren Favoriten.
Es war mein zweites Gedicht überhaupt. Ich habe es im Frühjahr 1976 mit 17 Jahren geschrieben. Es war die Zeit, in der ich meine christliche Begeisterung verloren hatte und von vielen Zweifeln geprägt war. Ich suchte den "Sinn des Lebens".  Bei Hermann Hesse fand ich Inspirration. Ich verschlang seine Büchewr regelrecht. Demian, Siddharta, Peter Camenzind, Steppenwolf, Narziss und Goldmund, Roßhalde, Morgenlandfahrt, Glasperlenspiel und auch seine Gedichte. Siddharta blieb mein Favorit. In der Schule kassierte ich bei einer Klassenarbeit über Siddharta meine erste 2 in Deutsch in meinem Leben.
Haften geblieben ist der Dreiklang der Sprache, das Wahrnehmen des Lebens im Wandel und das Bild des Flusses. Unvergessen der Fährmann, bei dem Siddharta am Ende seines Lebens Frieden gefunden hat.
Inspiriert von Hermann Hesse schrieb ich meine ersten Beiden Gedichte: Es ist ein Fluss" und "Der Fluss". Hier also das populärere "Der Fluss".
Der Fluß
Der Fluß
Es plätschert
Ich zwänge mich durch enge Wege
hab Kraft
ich weiß ich lebe
Kiesel auf meinem Grund
ich forme sie
ich glätte sie
ich mache sie
Ich treffe mich
ich werde breiter
kräftiger
mächtiger
behutsamer
ich trage Äste
ich nehme Sand
ich führe Salz
Ich treffe mich
ich werde breiter
kräftiger
mächtiger
behutsamer
ich trage Äste
ich trage Stämme
ich nehme Sand
ich führe Salz
ich lebe Fische
Ich treffe mich
ich werde breiter
kräftiger
mächtiger
behutsamer
langsamer
Ich trage Äste, Baumstämme
ich nehme Sand, ich führe Salz
ich werde mehr ich
Ich teile mich
Ich lebe Ich sterbe
Ich lebe Fische ich sterbe Fische
Ich werde ich ich werde sie
Ich treffe Es ich treffe Es
Ich bin es
Ich bin
Lübbecke, 1976

 

Neujahr 2022

 

Frohes neues Jahr!
Von der Fahrradtour na klar.
Frische Luft und gutes Leben
soll es auch dieses Jahr geben.
Kultur, Ausflug gutes Essen,
Schwimmen, Wellness nicht vergessen.
Und dann mal ´ne Thai Massage
für die Knochen keine Frage.
Gutes füllt das Leben aus
trotz Corona all dem Graus.
Meckern sollen die Proleten,
ich feier nüchtern meine Feten.
Gebe Freude großen Platz,

ganz zu schweigen von dem Schatz,

meiner Frau, der wundervollen,
liebenswerten, ach so tollen
Schönheit, Köchin, Gärtnerin,
Ärztin, Politikerin.
Welcher Reichtum, welches Glück,
Blicke ich auf das zurück,
Was ich dafür lassen musste!
Ganz schön hart, so manche Kruste,
die ich einst zu kauen hatte,
Heute trink ich meinen Latte,
Espresso und auch Kaffee

auch bei Zipperlein, Wehweh
immer wieder mit Genuss.
Und denk bei so manchem Kuss
an den langen Weg zurück
und mein unbeschreiblich Glück.

Liebe Leute,

ich sag heute
auf ein Neues, ist ja klar:
frohes und erfülltes Jahr!

Warchau, Amtsgemeinde Wusterwitz, 1.1.2022


Benediktushof, Holzkirchen, bei Würzburg. Ein Ort, der mich wiederholt inspiiriert hat und mir wichtige Grundhaltungen und spirituelle Praxis vermittelt hat.
Ob ca. 2006/2007 mit Dorothea Galuska, 2009 beim Zen Seshin für Psychotherapeuten mit Willigis Jäger und Marsha Linehan, der Einführung in Kontemplation bei Fernand Braun oder dieses Jahr zum Symposion "Christliche Spiritualität im 21. Jahrhundert".
"Mu" aus dem ZEN ist mir ein zentrales Mantra geworden. Immer wieder "Nichts", "nichts weiter". Reduktion, Besinnung auf das Wesentliche und dann wieder genau der Verzicht darauf, wenn das "Wesentliche" und "Wahre" zur Absolutheit zu werden droht.
So taucht "Mu" auch in einigen Gedichten von mir auf.
Hier mein Gedicht "Mu", geschrieben während des fünftägigen ZEN Seshins mit Willigis Jäger und Marsha Linehan, der Begründerin der "Dialektisch Behavioralen Therapie", einer weltweit beachteten Therapieform, ursprünglich für Borderline-Patienten.
Das Foto zeigt den ZEN-Garten im Benediktushof.
Mu
zu werden
zu sein
gewesen sein
zu leben
zu sterben
im Nu
Mu.
Benediktushof, Holzkirchen, 2009

 

 

 

Man nannte ihn Butch oder so oder anders…

 

Gott

Nicht mehr so flott

Sein

Mit all dem Trott

Jetzt

Gewahr was war

Gott

Die gute Frage

Ja

Was ich auch sage

Nein

Zu Widerstreben

Gott

Ist Wirken Leben

Sein

Zu Nehmen Geben

Mu

Eben.

 

Benediktushof Holzkirchen, 12.03.2022

Inspiriert durch den Workshop von Dr. Kristina Kieslinger: „Du kannst ihn ‚Butch‘ nennen! – Kreativität und Sprache auf dem spirituellen Weg.“  Symposium „Christliche Spiritualität im 21.Jahrhundert – Vom Unsagbaren sprechen – zum Verhältnis von Spiritualität und Sprache“, Bendediktushof, „MU“ ist ein ZEN-Koan und heißt in etwa „Nichts“, „Nichtsweiter…“ )                         

 (Dr. Kristina Kieslinger, Leiterin der Arbeitsstelle Theologie und Ethik beim Deutschen Caritasverband in Freiburg)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im ZENDO des Benediktushof, Holzkichen

https://www.youtube.com/watch?v=zs-URVFdRR8

 

 

 

"Offene Sinne"
Ein Lied, dass mich viele Jahre begleitet hat und bei Zuhörern immer wieder sehr gut ankam, war "Offene Sinne". Jirina Prekop sprach noch Jahre davon, dass es ihr gut gefallen hat. Ihr durfte ich es anläßlich ihres Kongresses "Liebe" 2004 in Salzburg vorspielen. Rüdiger Dahlke lud mich gar kurze Zeit später ein, es in seinem Tonstudion einzuspielen. Leider sind meine Gitarrenkünste zu bescheiden und ich raubte dem Tontechniker ein wenig den Nerv. Seitdem zupfe ich es jedoch nicht mehr, sondern schlage den Rhythmus zu den Griffen6. Auch mit einer leichten Änderung beim Refrain auf Anregung von Bruce Werber. So durfte ich nicht nur wunderbare Gastfreundschaft genießen, sondern auch noch eine kostbare Anregung mitnehmen.
Gerne hätte ich noch einmal ein Konzert mit Bruce Werber und Claudia Fried organisiert. Mein Engagement in Lübbecke mit der Reihe "Leben und Sinn" lief jedoch aus und privat allein vermochte ich es nicht zu stemmen.
Den Text zu offene Sinne gibt es jetzt in meinem Buch "Wenn das Leben anders wird - Lyrik von unterwegs". Einer von 3-4 Liedtexten.
Das Lied ist heute noch bei You Tube zu finden. Denn Jahre nach dem Besuch bei Bruce Werber und Claudia Fried konnte ich es mit meinem damaligen Gospelchor bei Auftritt vortragen. Es wurde gefilmt und so bekam ich ein schönes Erinnerungsstück, dass ich dort für Interessierte teilen konnte.
Viel Freude daran!

 

Offene Sinne

 

Offene Augen sehen,

geschlossen sind sie blind,

ich lass die Dinge stehen

und schaue, wie sie sind.

 

Offene Ohren hören,

geschlossen sind sie taub,

ich bücke mich zum Boden

und lausche auf den Staub.

 

Refrain:

Ich mache meine Sinne auf

und lass den Dingen ihren Lauf.

Ich habe Mut –

alles ... alles wird gut.

 

Offene Nasen riechen,

verschlossene leider nicht,

ich übe mich im Kriechen

und hoffe auf das Licht.

 

Offene Münder schmecken

und atmen jede Luft,

ob riechen oder lecken

herein kommt jeder Duft.

 

Refrain:

Ich mache meine Sinne auf

und lass den Dingen ihren Lauf.

Ich habe Mut –

alles ... alles wird gut.

 

Offene Poren spüren

das Werden und das Gehen.

Ein Hauch wird sie schon führen

die Liebe zu verstehn

 

Offene Hände nehmen,

Fäuste bleiben leer.

Offene Herzen geben –

sie schöpfen aus dem Meer.

 

Refrain:

Ich mache meine Sinne auf

und lass den Dingen ihren Lauf.

Ich habe Mut –

alles ... alles wird gut.

 

 

Lübbecke, 1989

 

 

Mein Vater, der Usedom Husar

 

Usedom Husaren –

Wie weit bin ich gefahren!

Von Euch zu hören, lesen, wissen,

den Vater ich tu stets vermissen.

Nun bin ich hier mit meinen Fragen

Und kann auch was zu Vater sagen.

Von wo er kam und wer er war,

Bei Adolf Usedom Husar.

Das Schicksal meines Vaters, hart,

Harrt dennoch auf Erkundigung

Und will keine Entschuldigung.

Er war kein Opfer, sondern Held!

Er überlebte und das zählt!

Er erntete Entwürdigung und alltägliche Erniedrigung:

„Ach Hermann, Ärmster, arme Sau!“

Zum Glück kam Rosi seine Frau.

Spitzbübisch, frech und mit Humor

Nahm sie sich ihren Hermann vor.

Der wollte sterben, wollte fliehen.

„Es warten Erben! Kannst später ziehen!

Ich will hier noch Geschäfte machen,

Du kannst mir helfen, sprach sie lachend!

Du kennst die Bauern, ich habe Ware“-

ganz jüdisch lauernd, ich erfahre.

Jahrzehnte später frage ich,

der Erbe, denn es prägte mich!

Und will nun wissen wie es war:

Als Usedom Husar!

Als solcher denn mein Vater zog

In Weltkrieg Zwei gar nicht famos.

Als Panzerfahrer abgeschossen,

Er kämpfte wild und unverdrossen!

Ums Überleben, gar nicht bang -

Durch die Flammen - es gelang!

Die Kameraden? Alle tot.

Mein Vater sah von nun an rot.

Das Blut quoll ihm aus allen Wunden,

Gesicht zerrissen, Haut geschunden.

So lag er auf dem Schlachtfeld rum

Bis irgendeiner guckte dumm.

„He, hier ist  einer, der noch lebt!

Packt einer an? Ich bin bestrebt

Den Kerl zu retten, packt mit an!

Ich brauche hier jetzt jeden Mann!“

Und Kameraden, Helfer viele

Verfolgten Überlebensziele.

Mein Vater, ist er auch verbrannt –

Er lebte schließlich stadtbekannt.

Verbrennungen sah jedermann

Und mancher zuckte ab und dann.

So schrecklich sah mein Vater aus –

So kam er aus dem Krieg nach Haus.

Das Jammern war nicht auszuhalten!

Nicht Vaters! – Nachbarn, all die Alten

Die zuvor nie Leid gesehen –

Die Jammerten, nicht zu verstehen!

Mein Vater nahm sein Schicksal an,

Das zeichnete ihn aus als Mann.

So komme ich mit Fahrrad nun

Und möchte hiermit eines tun:

Bezeugen, wie es wirklich war:


Als Usedom Husar!

 

Für meinen Vater Hermann August Behring,

*21.04.1922 Rahden/Westfalen, +23.06.1988 Lübbecke Westfalen

 

geschrieben im Fahrradurlaub auf dem Oder-Neiße Radweg,Groß Neuendorf 2015